Ich bin heute mal ausnahmsweise schon lange vor dem Wecker wach, denn ich bin aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten. Für 9 Uhr haben wir eine Verabredung mit den Leuten von Iceguide.is, denn wir gehen Kajaken auf der Heinabergslón Gletscherlagune.
Wir Frühstücken in Windeseile und checken aus dem schicken Guesthouse wieder aus. Auch heute morgen ist hier alles im Nebel und wir können leider nicht bis zum Meer sehen. Nur heute trübt es irgendwie meine Stimmung nicht so stark wie an den anderen Tagen.
In nicht mal 10 Minuten sind wir beim Treffpunkt an der Flatley Farm anbekommen. Hier steht der größte Milchvieh Bauernhof Islands und der Parkplatz davor dient auch noch als Treffpunkt für verschiedene Touranbieter.
Heinabergslón Kajak Tour mit iceguide.is
Wir haben die Kajak Tour von daheim aus gebucht, nachdem wir sehr lange Recherchiert haben und überlegten ob wir es machen sollen oder nicht. Denn so eine Tour ist ziemlich kostspielig und wir sind ja sonst nicht so die Leute, die geführte Touren machen. Nach längerem hin und her haben wir uns dann doch entschlossen die 15.900 ISK (etwa 115,- €) pro Person zu investieren. Aber auch nur, weil ich genau diese Tour von Iceguides.is gefunden hab. Fast alle anderen Anbieter bieten die Touren nur auf dem Jökulsárlón See (der Rund um die Uhr voller Touristen samt Boote ist) an und dann auch nur für 1,5h, was mit Einweisung und Einkleiden effektiv nur 60 Minuten auf dem Wasser bedeutet.
Wir paddeln heute aber auf der Heinabergslón Gletscherlagune etwas weiter östlich. Der See ist wesentlich kleiner als der Jökulsárlón und hat auch nicht so schönes blaues Wasser, liegt dafür aber ein gutes Stück weg von der Ringstraße und ist somit sehr einsam gelegen. Außerdem dauert hier eine Tour 3,5 Stunden, so dass man auch genug Zeit zum paddeln hat.
Am Basecamp angekommen, checken wir bei unseren Guides Iris und Reinar ein und werden auch gleich eingekleidet. Jeder der 12 Teilnehmer bekommt einen Drysuit, Gummistiefel und Neoprenhandschuhe. Außerdem ziehen wir noch Wollsocken, Thermoleggins und Fleecepulli drunter. Das ist gar nicht so einfach, denn der Drysuit ist sehr ungewohnt und störrisch beim Anziehen. Die „Socken“ sind aus Gummi, da hängt die Hose dran. Und dann muss man mit dem Kopf durch eine unglaublich enge Öffnung, denn die soll ja soll ja später dicht halten. Tobi hat mit seinen 63cm Kopfumfang echt Probleme… Jetzt noch schnell die Kamera und Handys in einen Drybag, dann sind wir endlich fertig. Es dauert gut 15 Minuten bis wir endlich alle startbereit sind und in den alten aber robusten Bus steigen, der uns zum See bringt.
Die Fahrt dauert etwa 15 Minuten und ist ziemlich holprig aber das ist uns egal, den wir sind gespannt wie ein Flitzebogen.
Es geht endlich los – ab ins Wasser
Am See angekommen, bekommt noch jeder eine Schwimmweste und dann sehen wir schon vom Parkplatz oben die bunten Kajaks am Strand liegen. Bei dem grauen Wetter leuchten die Farben richtig. Die Guides Iris und Reinar stellen sich nochmal vor und wir sagen reihum kurz woher wir sind. Wir kommen bunt gemischt aus Europa und den USA. Iris gibt uns eine Sicherheitslektion, was wir tun sollen, falls wir doch ins eisig kalte Wasser fallen. Die ist sehr kurz und schmerzlos: Es ist sehr unwahrscheinlich aber wenn ihr reinfallt, wartet bis einer von uns da ist und euch hilft… alles klar. Ist ja auch gar nicht kalt und tief und so. Aber wird schon schief gehen, wir sind ja warm und wasserdicht eingepackt. Allerdings mag ich gar nicht dran denken, wie eklig es sein muss mit dem Kopf in das eisige Wasser zu tauchen. Wir haben im Sommer auf dem Bodensee mit unseren Kayaks mal kentern geübt und das ist schon in warmem Wasser sehr beängstigend und gruselig. Der Gedanke daran, dass ich es aber mit eigener Kraft wieder ins Kayak schaffen würde lässt mich ziemlich gelassen bleiben.
Reinar erklärt uns wie die Kajaks funktionieren und wie man paddelt, bevor wir uns alle noch ein Paddel schnappen und in die Kajaks steigen. Bis auf ein anderen Pärchen und uns haben alle gar keine Kajakerfahrung. Lustigerweise sind wir vier auch die einzigen, die auf ein Single Kajak bestehen. Die anderen haben alle ein Tandemkajak gebucht. Aber wir vier sind uns einig, zusammen mit dem Partner in einem Kayak endet mit einer Scheidung 😉
Ich kann’s irgendwie immer noch nicht fassen, dass wir gerade hier sind und gleich auf einer Gletscherlagune an Eisbergen vorbeipaddeln werden. Doch es ist wahr… keine 5 Minuten später sind wir alle auf dem Wasser uns es kann losgehen.
Zuerst paddeln wir in der Gruppe auf eine größere Wand aus Eis zu und Iris fährt voraus um einen Weg für uns zu suchen. Reinar erzählt derweil, dass es hier auf dem See jeden Tag anders aussieht und sie immer wieder neue Wege suchen müssen, den die Eisberge versperren einem wohl oft den Weg.
Und jetzt mit Anlauf…
Iris ist derweil zurück, sie hat eine gute Stelle gefunden. So richtig breit ist die aber nicht und wir werden angewiesen so schnell wie möglch auf die schmale Stelle im Wasser zuzupaddeln um dann mit dem Kajay über das Eis, das ca. 5-10 cm unter der Wasseroberfläche liegt zu gleiten. Wie cool ist das den bitte… ich bin jetzt schon völlig aus dem Häuschen.
Wir paddeln weiter in Richtung Gletscher und die beiden Guides erklären nebenher sehr interessante Fakten über die Gletscher, die Seen und das Eis. Der Heinabergslón Gletscher zieht sich, wie alle anderen in Island, jedes Jahr um ein gutes Stück zurück und wird somit immer kleiner. Keiner weiß genau, wie lange wir dieses wunderbare Naturschauspiel noch sehen können. Wir erfahren auch, dass dieser Gletscherarm nur ein kleiner Teil des Vatnajökull Gletschers ist, der über 8000 Quadratkilometer groß ist und ca. 8% der Fläche Islands einnimmt.
Irgendwann fängt es an zu regnen, das merke ich aber nicht wirklich, denn erstens bin ich ja warm eingepackt und zweitens so sehr von der Umgebung fasziniert, dass es mir völlig egal ist.
Eine blaue Eishöhle… ich bin im Paradies
Wir paddeln langsam über eine offene Stelle auf einen Eisberg zu und Reinar erzählt, dass er nun noch eine Überrschung für uns hat. Wir fragen uns, was es denn sein könnte, denn viel besser kann es doch gar nicht mehr werden, oder? Doch es kann… wir paddeln zusammen ein Stück weiter und er führt uns in eine Eishöhle hinein und plötzlich ist alles in ein wunderbares blau getaucht.
Nerd Fact:
Gletschereis ist deswegen so blau, weil es ein sehr dichtes Eis ohne viele Lufteinschlüsse ist. Eis wirkt wie ein Farbfilter und reflektiert kurzwelliges (also blaues) Licht viel besser als langwelliges (rot und orange werden also eher „verschluckt“) und sieht daher so blau aus. Eis an der Oberfläche ist oft weiß, da es schon angetaut und der Umwelt ausgesetzt ist und daher mehr Luftbläschen enthält, die das Licht streuen und das Eis weiß erscheinen lassen.
Wir genießen alle für eine Weile diese absolut einmalige Atmosphäre und die Stimmung ist fast schon ehrfürchtig. WOW… ich gestehe, ich muss mir ein paar Tränchen aus den Augenwinkeln wischen. (Und das ist gar nicht so einfach mit den dicken Handschuhen.. ^^). Nach ausgiebigem Bewundern und Fotografieren machen wir uns wieder auf den Weg in die graue Welt. Der Farbunterschied ist mega krass, als wäre man plötzlich farbenblind geworden.
Eisberg voraus – bitte alle aussteigen
Iris fährt voraus und sucht eine geeignete Stelle zum anlanden, denn wir wollen noch ein Stück auf einem Eisberg „wandern“. Gesagt, getan… nachdem wir alle sicher auf dem Eisberg angekommen sind, verteilen die beiden Mikrospikes, die wir über die Gummistiefel ziehen können.
Zusammen drehen wir eine kurze Runde auf dem kleinen Eisberg und erfahren von den Beiden noch ein bisschen über die Eigenheiten des Gletscherwanderns… Die vielen schwarzen Flecken auf dem Eis sind ist übrigens die Asche eines früherem Vulkanausbruchs. Nach einer Viertelstunde machen wir uns dann wieder auf den Rückweg, denn so langsam aber sicher wird’s uns allen doch kalt. Da helfen auch die besten Wollsocken nichts mehr.
Zurück geht es über den offenen Gletschersee und die enge Passage inkl. Eisrutsche an die Anlegestelle. Wir knipsen noch ein paar Bilder und räumen die Paddel und Schwimmwesten auf während Reinar und Iris die Kajaks aneinander vertäuen.
Im Bus sind wir dann alle sehr froh über die Heizung, denn es war dann doch etwas frisch auf dem Wasser. Außerdem sind wir dann wenig später froh, die Klamotten wieder loszuwerden, denn so richtig gut bewegen konnte man sich im Drysuit dann doch nicht.
Wir bedanken uns noch bei den beiden für diesen absolut unglaublichen Vormittag bevor wir noch schnell einen Blick in den angrenzenden Milchhof werfen. Alles sehr modern und auch für Besucher gemacht aber für uns Landeier jetzt nix wirklich Neues.
Es geht zurück
Leider stehen jetzt noch 320km zwischen uns und unserer nächsten Unterkunft. Aber auch nur deswegen, weil das Wetter absolut gegen uns ist… Wir sehen keine 50 Meter weit und haben somit gar nix von der schönen Landschaft. Immerhin können wir so noch über das Kajaken und den Gletscher reden und uns auch ein bisschen Wissen anlesen.
Etwa auf der Hälfte der Strecke halten wir schnell zum Tanken und um Mittagspause zu machen. Es gibt nochmal leckere Hotdogs. Leider ist die einzige Toilette gerade zu und so müssen wir noch mal eine ganze Weile warten bis wir in Vik endlich eine Pippi Pause einlegen können.
Unterwegs halten wir noch an einem Lavafeld und sind erfreut, dass das Wetter uns einen kleinen Blick auf die Weiten erlaubt. Durch das viele Moos sieht alles so surreal aus… Harte, scharfkantige Lava und darüber eine Schicht aus weichem, kuschligem Moos… Netterweise löst sich der Nebel für den Großteil der weiteren Fahrt etwas auf und erlaubt zumindest eine etwas weitere Sicht.
Reynisfjara Beach
Direkt nach Vik gibt es eine wieder eine der Must-Do Attraktionen auf der Ringstraße. Der Reynisfjara Strand. Wir haben zwar eigentlich keinen Bock auf viele Leute aber schauen trotzdem kurz vorbei. Zuerst sind wir ziemlich überwältigt von den vielen vielen Leuten die sich hier tummeln und wollen gar nicht bis zum Strand runter aber das Geräusch der tosenden Wellen macht uns neugierig.
Es gibt eine große Warnschild Barrikade, die uns vor den Freak Waves warnt. Also sehr großen Wellen, die Leute schon öfters in den Tod gerissen haben. Schon allein die krasse Geräuschkulisse macht uns klar, wie gewaltig die Kraft der Wellen sein muss.
Der komplett schwarze Sand kombiniert mit dem tristen Wetter macht die Stimmung mehr als düster und bedrohlich. Da wirken die vielen Selfi Touristen irgendwie ziemlich bizzar… zumindest sorgen die bunten Regenjacken für ein paar Farbtupfer. Damit wir etwas mehr Ruhe haben, spazieren wir ein Stück den Strand entlang, wie immer sind wir nach 15 Minuten fast komplett alleine, denn wer läuft schon freiwillig ein paar Meter… Uns soll’s recht sein. Hier können wir in Ruhe ein paar Fotos schießen. Ich bin von den tosenden Wellen total fasziniert, es ist einfach unglaublich, was für eine brachiale Gewalt Wasser hat. Das Getose hält uns auch beide davon ab das wir uns den Selfie-Machern anschließen. Keiner von uns will dem Wasser den Rücken kehren… Nach einer halben Stunde wird uns dann auch wieder so kalt, das wir uns nach der Sitzheizung im Auto sehnen.
2 Wasserfälle im Vorbeifahren
Auf dem Weg nach Hvolsvöllur kommen wir noch an zwei weiteren Island-Klassiker vorbei: Dem Skógafoss und dem Seljalandsfoss. Aber um ehrlich zu sein, konnten wir uns bei beiden Wasserfällen nicht dazu überwinden mehr als ein „aus dem Auto“ oder „kurz vom Parkplatz“ Foto zu schießen. Vielleicht liegt es daran, dass das Wetter und die Lichtverhältnisse doof sind oder dass hier schon wieder so viele Menschen sind. Oder wir haben in den letzten paar Tagen schon so viele „bessere“ Wasserfälle gesehen, dass diese beiden einfach nicht mehr „mithalten“ können. Keine Ahnung… Auf jeden Fall lassen wir sie quasi links liegen.
Dafür halten wir noch ganz kurz am Eyafjellajökull Museum, wo wir fünf Minuten vor Schließung ankommen. Der mega nette Mitarbeiter lässt uns aber noch rein und wir können uns umschauen. Es gibt viele Infos zu Vulkanen an sich und einen sehr interessanten Film über den Vulkanausbruch des Eyafjellajökull im Jahr 2010.
Hier finden wir auch endlich ein paar schöne Kühlschrankmagnete, wir hatten schon Angst, dass wir ohne wieder zurück müssen.
Chillen mit Schwimmbad und Pizza
Auf der reslichen Fahrt nach Hvolsvöllur lesen wir viel über den berühmten Vulkanausbruch und den isländischen Zivilschutz. Es ist kaum fassbar, was dieses kleine Land hier auf die Beine stellt. Sogar die finanziellen Schäden werden quasi auf alle Bürger verteilt, denn die Geschädigten bekommen einen Ausgleich.
Endlich im Hotel angekommen, wollen wir nach dem Einchecken noch eine Runde schwimmen gehen. Durch die geothermische Aktivität, hat so gut wie jedes Dorf ein eigenes Schwimmbad. Das Bad ist Teil von einem Gebäudekomplex, der auch Sporthalle, ein Kindergarten und 2 Schulen beherbergt. Macht bei einer Einwohnerzahl von nicht mal 1000 Leuten auch Sinn.
Wir genießen es, in Ruhe ein paar Runden schwimmen zu können und legen uns dann später noch gemütlich in den Hottub, der gut über 41 Grad hat.
So langsam macht sich dann auch der Hunger bemerkbar und wir suchen uns eine Pizzeria aus. Das stellt sich als sehr gute Wahl heraus, denn die Pizzen sind lecker und auch so groß, dass wir davon morgen noch was haben.
Zurück im Zimmer, müssen wir uns dann leider ans Packen machen, denn morgen geht schon der Flieger zurück nach Basel.
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